Interview – Centro de Habilidades OCTOPUS

3. July 2023

Interview – Centro de Habilidades OCTOPUS

Im April dieses Jahres war es endlich soweit: Mit der Eröffnung des “Centro de Habilidades OCTOPUS” erfüllte sich für Stephanie Campos Román und Roberto Vargas León ein Herzenswunsch.

Für VISIONEERS haben sie sich die Zeit genommen, diesbezüglich ein paar Fragen zu beantworten und ihr Projekt näher vorzustellen:

Mit dem Centro de Habilidades OCTOPUS bietet ihr nun seit einigen Wochen eine Kinderbetreuung im Stadtzentrum von Esterillos Este in Parrita an. Auf eurer Webseite habt ihr hervorgehoben, dass ihr euch jedoch nicht nur als ein “centro de cuido” – eine Kindertagesstätte – sondern vielmehr als ein Zentrum zur Entwicklung motorischer, emotionaler und sozialer Fähigkeiten für Jungen und Mädchen versteht. Wie genau würdet ihr die Einrichtung denn beschreiben? Welchem Kerngedanken verleiht ihr mit dem Zentrum und den dort angebotenen Programmen Ausdruck?

Wir kümmern uns um die ganzheitliche Entwicklung der Kinder, arbeiten unter anderem in sozial-emotionalen, psychosozialen, grob- und feinmotorischen, affektiven und sozial-affektiven Bereichen: Programme wie Kunst, Sport, Sprachen, Farbmonster, Montessori-Techniken und mehr… Wir bieten eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung an. Zudem arbeiten wir Hand in Hand mit den Eltern, um den Kindern eine bessere frühkindliche Entwicklung zu garantieren.

Meines Wissens nach begleitet euch der Gedanke dieser Wertevermittlung und Unterstützung schon etwas länger und das Zentrum bietet euch nun zwar den offiziellen Rahmen, ist jedoch nicht euer erstes Angebot, nicht wahr? Wie darf ich mir denn die Anfänge des Projektes vorstellen?

Als Missionare ist die Liebe zu den Menschen und die aufrichtige Sorge um sie unsere Philosophie. Deshalb sind wir nun seit mehr als vier Jahren in diesem Teil des Landes aktiv. Gott hat uns erlaubt, in Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu investieren, und zwar durch Sport (Trainingspläne, Training für jugendliche Radfahrer, Schwimmunterricht), emotionale Begleitung (aktives Zuhören, Bestätigung von Gefühlen, Unterstützung, Anleitung), sowie familiäre und geistliche Begleitung.

Ist der Montessori-Gedanke hier in Costa Rica stark verbreitet?

In Costa Rica gibt es zwar Montessori-Zentren, aber es sind nur wenige und die meisten von ihnen befinden sich in den Ballungsgebieten. Diese Methode ist kein zugängliches Angebot In eher ländlichen Gebieten wie hier in Parrita und der Umgebung.

Nun, da hat sich verglichen mit euren Projektanfängen wahrlich einiges getan und entwickelt – Glückwunsch. Mit so einer Projektumsetzung gehen allerdings sicherlich auch die ein oder anderen Herausforderungen einher. Hattet ihr manchmal Zweifel daran, ein so umfassendes Projekt auf die Beine zu stellen?

Ja, natürlich haben wir sehr gezögert, vor allem wegen der moralischen Verpflichtung gegenüber der minderjährigen Bevölkerung und den wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen, die mit der Gründung und dem Fortbestehen des Zentrums verbunden sind. Wir hatten Zweifel, ob die Kinder kommen würden und ob die Eltern es ihnen erlauben würden (da es sich um eine sehr konservative und traditionelle Gemeinschaft handelt, in der die Pflege und Betreuung üblicherweise von Mutter oder Verwandten übernommen wird).
Eine der größten Herausforderungen bestand unseres Erachtens darin, die Ziele der Kompetenzentwicklung in einer Bevölkerungsgruppe zu erreichen, die in ihrer Entwicklung erhebliche physische, psychische und soziale Nachteile aufweist. Doch wir würden sagen, dass man bereits innerhalb kurzer Zeit beobachten konnte, wie die Kinder Wörter in Englisch und Deutsch gelernt haben und wie sie Gewohnheiten der Höflichkeit und der sozialen Fähigkeiten wie der angemessenen Konfliktlösung in ihr tägliches Leben integriert haben, um nur einige Beispiele zu nennen.
Auch wenn es nach wie vor eine Herausforderung ist, das Projekt finanziell aufrechtzuerhalten, da die meisten Teilnehmer ein 100-prozentiges Stipendium des Programms erhalten, haben wir zu Beginn viel finanzielle Unterstützung von zwei internationalen Organisationen erhalten, die es uns unserer Meinung nach ermöglichten, den Jungen und Mädchen eine hochwertige Einrichtung zur Verfügung zu stellen. Die größte Herausforderung besteht jetzt darin, diese Tag für Tag aufrechtzuerhalten, beispielsweise in Bezug auf Ernährung, Human Resources und Ausstattungen.

Welche Resonanz hat euch bei der Umsetzung des Entwicklungszentrums erreicht? Findet das Angebot gesellschaftlichen Anklang und wie hoch ist demzufolge die Nachfrage in der Gemeinde?

Es scheint uns, dass es in der Dorfgemeinschaft einen Bedarf gibt. Allerdings glauben wir, dass nur wenige Väter und Mütter die Bedeutung des Zentrums für die Entwicklung ihrer Söhne und Töchter vollständig verstehen.

Inzwischen trägt die Betreuungsstätte den Namen “OCTOPUS”. Warum habt ihr euch für das Symbol eines Kraken entschieden? Liegt es an der Nähe zu Strand und Meer hier an der Pazifikküste, oder verkörpert der Oktopus bei euch ein bestimmtes Sinnbild?

Wir fragten eine befreundete Biologin aufgrund der Nähe zum Meer nach den Qualitäten der Meerestiere in dieser Zone, und sie teilte uns mit, dass Kraken (Octopus vulgaris) sich durch ihre große Intelligenz auszeichnen. Der Oktopus lernt zudem gerne in unterschiedlichen Umgebungen. In der gleichen Umgebung bleibend wird es ihm langweilig, genau wie den Kindern, bei denen wir durch verschiedene Arten der Umgebung unter anderem die Entwicklung ihrer kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten fördern möchten.

Nun, das leuchtet mir definitiv ein… Die Kinder kommen je nach Alter bereits morgens früh ins Zentrum, oder nach dem Kindergarten beziehungsweise der Grundschule. Wie sieht ein typischer Projekttag aus?

Ein Tag im Projekt beginnt mit dem klassischen Tagesablauf: Zu Beginn empfangen wir die Kinder am Eingang mit einem “Guten Morgen!”. Sie begrüßen uns mit einer Umarmung oder einem einfachen Fauststoß und legen ihre Tasche in die Schließfächer.
Am Morgen sitzen wir zunächst im Kreis, haben eine kleine Andacht, danken Gott und reden ein wenig über unsere Gefühle und mögliche Lösungen für unsere Sorgen. Dann gehen wir in den Kunstbereich, wo wir etwas zum Thema des Tages (soziale, emotionale Kompetenzen) basteln. Dienstagmorgens geht es für die Kinder zum Schwimmunterricht. Im Anschluss gibt es eine Merienda, den täglichen Snack, und danach spielen die Kinder draußen. Später machen wir eine andere Art von Aktivität, sei es sportlich oder sprachlich.
Zwischen 11:30 Uhr und 12:00 Uhr ist es Zeit zum Mittagessen, danach zum Zähneputzen und für alles, was mit der persönlichen Hygiene zu tun hat. Nach dem Mittagessen verabschieden sich einige Kinder. Die anderen bleiben, um das bestehende Angebot noch etwas länger in Anspruch zu nehmen.
Am Nachmittag treffen weitere Kinder ein, die Routine wird wiederholt und mit den verbleibenden Kindern werden andere Aktivitäten in den verschiedenen Bereichen wie beispielsweise Erkundung, Recycling, Lesen oder Kunst durchgeführt. Zwischen 15 Uhr und 15:30 Uhr holen die Eltern ihre Kinder ab, um sie nach Hause zu bringen.

Zum Abschluss möchte ich noch einmal die unglaubliche Wärme und Herzlichkeit hervorheben, mit welcher ihr den Kindern, aber auch den Mitarbeiter:innen und freiwilligen Unterstützer:innen begegnet. Welche drei Grundwerte möchtet ihr mit eurem eigenen Engagement vermitteln und auch an die Kinder im Projekt weitergeben?

Liebe, Solidarität und Autonomie

Es ist deutlich zu spüren, inwieweit ihr diese Werte wirklich selbst lebt, und ich bin sicher, es wird die Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung bereichern.
Herzlichen Dank für diesen kleinen Einblick ins “Centro de Habilidades OCTOPUS”. Ich bin sehr gespannt, wie sich das Projekt in den kommenden Monaten und Jahren ausweiten, verändern sowie entwickeln wird und wünsche euch, dass euch euer Engagement für die Kinder auch weiterhin mit Begeisterung und Hingabe erfüllt.
Es freut mich wirklich sehr, für die restliche Zeit meines Freiwilligendienstes hier in Costa Rica ein Teil eures Teams sein zu dürfen und ein Stück weit an den Erlebnissen und Erfahrungen sowie der Entwicklung der Kinder teilhaben zu können.

Mai 2023

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